Der Frühling und der Frühsommer sind in der Natur die Hochsaison für Nachwuchs. Viele Tiere bekommen jetzt ihre Junge und beginnen die spannende Zeit des Eltern-Daseins. Was sie alle gemeinsam haben: Sie geben sich verdammt viel Mühe, ihren Nachwuchs großzuziehen. Aber passieren kann natürlich immer etwas, jedes Tier kann sich mal verletzten. Im dicht besiedelten und von Wegen durchzogenen Deutschland ist es also auch gar nicht so unwahrscheinlich, unterwegs auf ein Tier in Not zu treffen. Hast Du ein Tier gefunden, braucht es vielleicht Hilfe.
Aber sollte man hier überhaupt helfen? Ich teile hier die Auffassung der Interessengemeinschaft Hessischer Wildtierpfleger:
„Entgegen der hin und wieder geäußerten Bedenken, durch das Helfen und die Handaufzuchten würde in den natürlichen Kreislauf eingegriffen, ist hier klar hervorzuheben, dass über 80% der hilfsbedürftigen Wildtiere aufgrund menschlichen Verschuldens in Not geraten. In die Pflegestellen und Auffangstationen kommen weder das Eichhörnchen, das vor einer Krähe, oder der Gartenschläfer, der vor einem Marder gerettet wurde. Vielmehr sind es Wildtiere, die durch Straßenverkehr, Lebensraumzerschneidung, Sanierungsarbeiten, Zivilisationsfallen (Zäune, Regentonnen etc.), Baumfällungen, Gifteinsatz, Jagd oder als Hunde- bzw. Katzenopfer in Not geraten.“
Interessengemeinschaft Hessischer Wildpfleger in ihrer „Infobroschüre Wildtiernotfall“
Ich habe ein verletztes oder einsames Tier draußen gefunden – was soll ich jetzt tun? Woran erkenne ich, ob ein Tier wirklich Hilfe braucht – oder ich es doch besser in Ruhe lassen sollte? Wen rufe ich in so einer Situation an? Diese und viele weitere Fragen habe ich mir letztes Jahr auch gestellt, als ich auf einen vermeintlich verletzten Fuchs getroffen bin. Ich versuche sie, so detailliert wie möglich zu beantworten – schreibe mir gerne eine E-Mail oder einen Kommentar, wenn Du etwas siehst, das angepasst oder ergänzt werden sollte!
Eine Übersicht aller Unterthemen:
Nicht jedes Tier benötigt Rettung
Vorab ist wichtig zu sagen: Nicht jedes Tier, das Du findest, braucht wirklich Rettung.
Zurück zu der Geschichte vom Fuchs, die ich eingangs erwähnte. Ich war an einem warmen Spätsommertag entlang der Nordseeküste mit dem Rad unterwegs; links von mir Deich, rechts von mir Weiden und Salzwiesen. In einer dieser Salzwiesen sah ich plötzlich einen Fuchs liegen, umringt von neugierigen Kühen. Ich also abgestiegen, um die Situation besser einschätzen zu können. Ein Fernglas hatte ich zwar nicht dabei, aber meine Kamera, mit der ich auch gut heranzoomen konnte. Durch die Nahaufnahme konnte ich sehen, dass der Fuchs noch atmete, eher hechelte. Während ich noch dabei war, mir im Internet die richtigen Telefonnummern und Ansprechpartner für die Region vor Ort zu suchen, stand er auf und trottete langsam davon, in Richtung Süßwasser und Schatten.
Ein weiteres Wort noch zu Füchsen: Es gibt viele Vorurteile und falsches Wissen über Füchse, gerade bei solchen, die sich dem Menschen nähern. Im Beitrag über Wildkräuter habe ich schon etwas zum Thema Fuchsbandwurm geschrieben. In Kürze: Ein Fuchs, der sich dem Menschen nähert, ist nicht immer krank oder hat gar Tollwut. Mehr dazu liest Du in diesem Info-Flyer, den der Wildtierschutz Deutschland und das Aktionsbündnis Fuchs zusammengestellt haben.

Ein weiteres Beispiel: Ich traf auf einen Igel, der vermeintlich schwächelnd zur besten Mittagszeit auf einer Wiese saß. Nach einer kurzen Inspektion aus höflicher Distanz stellte ich aber fest: Er sah insgesamt gesund aus, feuchte Nase, keine Schädlinge wie zum Beispiel Zecken sichtbar, die Augen sahen normal und gesund aus – hier war also kein Handlungsbedarf. Kurze Zeit später setzte er seinen Weg sicher fort. Er hat wohl einfach nur kurz eine Pause gemacht. Jede Situation ist also individuell zu betrachten.
In diesen Situationen brauchen Wildtiere Hilfe
- Wenn sie eindeutig verletzt sind, das heißt zum Beispiel einen gebrochenen Flügel oder Fuß haben, bluten oder bewusstlos sind.
- Wenn sie von einer Katze, einem Hund oder einem anderen (nicht-wilden) Beutegreifer gefangen wurden, aber entkommen konnten.
- Wenn sie schwach oder ausgemergelt sind und/oder zittern.
- Wenn sie in unmittelbarer Gefahr sind, zum Beispiel auf einer stark befahrenen Straße sitzen.
Junges Tier gefunden
Gerade bei Jungtieren ist die Versuchung groß, eingreifen zu wollen. Sie sind schließlich so niedlich und sehen oft auch schwach und hilflos aus, wenn sie ohne Eltern aufgefunden werden. Aber nicht alle Jungtiere brauchen tatsächlich Hilfe. Ein paar Beispiele.
- Rehkitze liegen erst eine Weile nach der Geburt geduckt in einer Kuhle. Die Mutter (Ricke) liegt oft nicht bei dem Kitz oder den Kitzen, sondern ein Stück entfernt. Das macht sie, um ihre Kinder zu schützen, den sie zieht deutlich mehr Aufmerksamkeit auf sich als das Kitz, das flach und ruhig liegt. Außerdem ist es durch sein geflecktes Fell gut geschützt. Reh, Rotwild und Damwild bringen zwischen Mai und Juni ihren Nachwuchs zur Welt.
- Junge Füchse kommen in der Regel im März oder April zur Welt. Sie werden zum Teil mehrere Stunden von ihrer Mutter (Fähe) im Bau alleine gelassen, während diese Futter jagt. Oft bleibt auch der Vater (Rüde) zur Zeit der Aufzucht bei der Mutter und versorgt die Jungsfüchse mit. Es gibt also zwei Elternteile, die sich kümmern können.
- Jungvögel sitzen, nachdem sie im Frühjahr das Nest verlassen haben, oft leicht erhöht in einem Busch oder manchmal auch auf dem Boden und werden dort weiter von ihren Eltern versorgt. Die sind meist nicht weit entfernt. Vor Gefahren warnen außerdem nicht nur die Eltern, sondern auch alle anderen Vögel zuerst mit Warnrufen, dann mit Schweigen, je nach dem, wie weit der Feind entfernt ist.
- Kleine Hasen werden ab dem späten Winter und im ganzen Frühjahr geboren, schon mit Fell und oberirdisch in einer sogenannten Sasse. Kurz nach der Geburt können sie bereits sehen und auch nach wenigen Tagen schon die Sasse verlassen. In dieser Zeit lässt die Mutter auch ab und zu kurz ihre Kinder allein, die sich ganz dicht an den Boden gehockt verstecken, aber keinesfalls hilflos sind.
Eine Ausnahme ist, wenn es sich eindeutig um ein Jungtier handelt, das neben einem toten Elterntier liegt, und kein anderes Tier derselben Spezies in der Nähe ist; denn oft übernehmen Tanten, Väter oder andere erwachsene Wildtiere die Aufzucht von verwaisten Jungtieren. Um das feststellen zu können, solltest Du das Tier aus einiger Entfernung eine Zeit beobachten. Ansonsten gelten die oben genannten Situationen. Junge Eichhörnchen, die am Boden liegen, können sich nicht selbst versorgen und benötigen Hilfe.
Tier in Notlage gefunden
Notlagen, in denen sich ein Tier befinden kann, gibt es einige. Das fängt ganz klein an zum Beispiel bei einer Biene oder Hummel, die erschöpft am Boden liegt oder nach einem Zick-Zack-Flug bruchlandet. Diesen Insekten kannst Du ganz einfach helfen, indem Du sie vorsichtig mit der Hand oder einem Blatt aufhebst und an eine Stelle trägst, an der sie sich erholen und etwas essen können. Zum Beispiel an einem blühenden Busch oder Strauch im Schatten, oder auf Deiner Fensterbank oder Balkon. Stelle ihnen dort eine flache Schale mit Zuckerwasser daneben, das gibt ihnen Kraft. Lege am besten auch ein kleines Steinchen hinein, das über die Wasseroberfläche ragt, damit sie nicht aus Versehen ertrinken!
Was eine Notlage ist, ist manchmal nicht ganz einfach einzuschätzen. Tiere wissen meist selbst, wie sie sich in Situationen helfen können – und machen es lautstark oder offensichtlich deutlich, wenn dem nicht so ist. Folgende Beispiele habe ich selbst bereits erlebt:
- Ein Schaf, dass, zwar kein Wildtier, aber zwischen zwei Zaunstäben eingeklemmt war und laut klagend schrie. Ich konnte die obere Zaunlatte leicht anheben und den Kopf des Schafes drehen, und es war frei. Durch die im wahrsten Sinne des Wortes verzwickte Situation hätte es sich hier nicht selbst befreien können.
- Ein Entenküken, dass in einen Schacht gefallen war und nach seiner Mutter rief, die ein Stück weiter mit den anderen Küken stand. Ein Kescher (oder manchmal auch ein langer Arm) schafft hier schnell Abhilfe, ohne die Tiere zu sehr zu stressen.
- Ein Vogel, der sich in einem Netz verfangen hatte. Auch hier war schnell klar, dass der Kleine sich nicht alleine würde befreien können. Ich konnte kurz eingreifen und die Füße aus den Fäden befreien, bevor er dann weiterflog.
Du kannst also einem Tier in Notlage helfen, sofern es keine Möglichkeit hat, sich selbst zu helfen – und Du Dich damit nicht strafbar machst. Bevor Du also zum Beispiel ein fremdes Grundstück betrittst, sprich den:die Besitzer:in an.
Verletztes Tier gefunden
Hast Du ein Tier gefunden, dass offensichtlich verletzt ist, zum Beispiel eine offene Wunde hat, stark blutet oder humpelt, sieht die Sache schon anders aus. Auch diesem Tier kannst Du helfen, solltest Dir aber in jedem Fall Unterstützung von entsprechenden Expert:innen holen. Und das ist manchmal gar nicht so einfach.
Deshalb ein Tipp von mir für Dich, wenn Du viel draußen unterwegs bist: Suche und schreibe Dir im Vorfeld alle wichtigen Nummern raus oder speichere sie vielleicht sogar direkt im Handy ein, damit Du in der Situation nicht suchen musst. Wichtige Expert:innen in Deiner Region könnten sein (suche nach ihnen in der Suchmaschine Deiner Wahl mit den Stichworten „[Experte]“ „[deine Region]“, also zum Beispiel: „Wildvogelstation Emsland“ oder „Fuchs Hilfe Siegerland“).
- Wildvogelstation: In der Regel für alle Wildvögel, meist vor allem für Eulen, Raubvögel und Rabenvögel. Manchmal sind Singvögel jedweder Größe (also z.B. auch Tauben) ausgenommen, für sie gibt es manchmal eine separate Singvogelstation oder Taubenstation.
- Regional zuständige:r Jäger:in oder Jagdpächter:in
- Regional zuständige:r Förster:in
- Wildtierstation, manchmal auch nur Wildstation genannt
- Igelstation
- Eichhörnchenstation
- Seehundstation
- Waschbärhilfe oder Waschbärstation
- Fuchshilfe oder Fuchsstation
- Rehkitzhilfe
- Wenn alles davon nicht auffindbar ist: Die Polizei unter Deiner lokalen Polizei-Festnetznummer, der Nummer der Wache oder eben der 110, wenn eine tatsächliche Gefährung für Menschen und Tier besteht. Entweder kümmern sich die Beamten dann weiter, oder können einen entsprechenden Kontakt vermitteln.
Je nachdem, wen Du am Telefon hast, können sie Dir vielleicht direkt weiterhelfen, was die nächsten Schritte sind: Ob Du Dich kümmern sollst und wie. Hier ist das vorgehen wie beim „echten“ Notruf für Menschen: Möglichst genau beschreiben, wie die Notfallsituation aussieht und dementsprechend handeln. Wichtig auch hier: Ruhe bewahren! Sowohl das Tier, als auch Du und die Helfenden am Telefon profitieren davon, wenn Du ruhig und besonnen bleibst.
Willst Du Dich etwas mehr einlesen, wie der allgemeine Handlungsbedarf bei den häufigsten Arten aussieht, kannst Du das hier tun.
Gefundenes Wildtier nie einfach einpacken
Nimm nie ein Tier ohne Rücksprache mit zur nächsten Auffangstation! Es könnte sich um eine streng geschützte Wildtierart handeln, die meldepflichtig laut Bundesnaturschutzgesetz ist. Viele heimische Wildtierarten unterliegen zudem dem Jagdrecht. Es gilt als Wilderei, wenn Du zum Beispiel ein Wildschwein, einen Fuchs, einen Hasen oder ein Reh ohne Zustimmung der zuständigen Jägerin oder des zuständigen Jägers ins Auto lädst.
Wenn Du Dich wirklich außerordentlich vorbereiten möchtest, findest Du hier unter anderem eine Liste an Materialien, die Du bei Dir bzw. im Auto haben solltest, falls Du wirklich ein Tier in Not findest.
Diese Infos habe ich nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert und zusammengetragen. Fehlt eine wichtige Info? Schreibe mir eine Mail oder kommentiere den Beitrag!
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