Auf Tassen, Untersetzern, Servietten, als Figuren, sitzend in unseren Gärten und an Futterstellen: Rotkehlchen sind im Winter überall zu sehen. Die kleinen Singvögel mit der rot-orangenen Brust fallen im Winter besonders an Futterstellen auf. Zusätzlich dazu gibt es überraschend viel Merchandise zu diesem kleinen Superstar. Gerade um Weihnachten herum ist das Rotkehlchen besonders präsent; auch bei mir zuhause, wie Du in meinem zugehörigen Post auf Instagram sehen kannst. Aber welche Bezüge hat der Vogel zum Winter und zu Weihnachten? Einige, tatsächlich, und die stelle ich Dir hier vor.
Das Rotkehlchen und Jesus
Legenden nach haben das Rotkehlchen und Jesus sogar zwei Verbindungen. Beide Sagen haben die selbe Prämisse: Das Rotkehlchen wurde von Gott als kleiner, brauner Vogel ohne die namensgebende rote Brust geschaffen. Diese müsse es sich erst verdienen.
In der ersten Legende trifft das Rotkehlchen auf Jesus als Baby, gerade kurz nach der Geburt – also in genau der heiligen Nacht, die im Christentum an Weihnachten gefeiert wird. Der kleine Vogel gesellt sich zu Jesus, Maria, Josef sowie Ochs und Esel in den Stall, um das Jesuskind zu bewundern. Ein Feuer brennt, das alle wärmt. Doch im Verlauf der Nacht schlafen alle nacheinander ein, und niemand kümmert sich mehr um das Feuer; es droht zu verlöschen. Das Rotkehlchen bemerkt dies und eilt zum Feuer, um es mit kräftigen Flügelschlägen wieder anzuheizen. Dabei treffen einige Funken seine Brust und färben sie rot.
Die schwedische Schriftstellerin Selma Lagerlöf (die auch die Schöpferin von „Nils Holgersson“ und seinen Abenteuern mit den Wildgänsen ist) hat eine weitere Geschichte aufgeschrieben, die Du bei Interesse hier im Original nachlesen kannst. In ihr trifft das Rotkehlchen auf Jesus, kurz nachdem er gekreuzigt wurde. Es sieht das Leid, das Jesus ertragen muss, und versucht, ihm zu helfen.
Er umkreiste ihn mehrere Male, ohne daß er sich näherzukommen traute, denn er war ein scheuer kleiner Vogel, der es nie gewagt hatte, sich einem Menschen zu nähern. Aber allmählich faßte er Mut, flog ganz nah hinzu und zog mit seinem Schnabel einen Dorn aus, der in die Stirn des Gekreuzigten gedrungen war. Aber während er dies tat, fiel ein Tropfen von dem Blute des Gekreuzigten auf die Kehle des Vogels. Der verbreitete sich rasch und färbte alle die kleinen zarten Brustfedern.
Selma Lagerlöf: Christuslegenden – Das Rotkehlchen
Beide Sagen sind historisch und wissenschaftlich nicht belegt, aber schöne, illustre Geschichten.
Der wahre Grund für den Superstar-Status
Weitere Überlegungen, warum das Rotkehlchen in der Winter- und Weihnachtszeit so beliebt ist, führen uns nach Großbritannien. Dort gilt er als inoffizieller Nationalvogel und ziert schon seit dem 19. Jahrhundert gerne die traditionelle Weihnachtspost. Diese Weihnachtskarten brachten damals wie heute die britischen Postboten – und früher trugen diese sogar rote Jacken, was ihnen den Spitznamen „Rotkehlchen“ einbrachte. Von der Weihnachtspost erstreckte sich das beliebte Vogel-Motiv auf alle anderen Deko-Artikel, die es heute so gibt.
Und sind wir mal ehrlich: Dass die Vögelchen gerade in dieser Jahreszeit so kugelrund und flauschig aussehen, ist wahrscheinlich auch ein wichtiger Faktor. Sie sind einfach niedlich! Dazu kommen die kleinen, schwarzen Knopfaugen, mit denen sie genau beobachten, wie wir unsere Futterstellen auf dem Balkon und im Garten auffüllen. Im Gegensatz zum Rotkehlchen in der Jesus-Legende kommen sie dem Menschen dabei auch sehr nahe. Das alles, gepaart mit ihrer optischen Auffälligkeit in der kargen, düsteren und manchmal weißen Winterlandschaft sind wahrscheinlich der wahren Gründe für die Popularität des Vogels. Er fällt uns im Winter einfach deutlich öfter ins Auge als zu allen anderen Jahreszeiten.
So viel mehr als ein niedlicher Vogel
Dabei gibt es noch viel mehr Gründe als nur das niedliche Aussehen, um dem Rotkehlchen Beachtung zu schenken. Der Vogel des Jahres 1992 und 2021 ist nämlich ein „Indikatorvogel“, das bedeutet, seine Bestände werden genau beobachtet und daraus Rückschlüsse auf die Ökosysteme gezogen, in denen er lebt. Die Art ist in Europa nicht gefährdet, im Gegenteil, sie gehört zu einer der häufigsten Vogelarten. Durch ihre speziellen Anforderungen an ihre Umgebung lässt sich über Bestandszahlen und Brutentwicklung allerdings viel ableiten.
Warum ist das so? Nun, das Rotkehlchen braucht zum Beispiel eine diverse Landschaft mit dichten Hecken und Büschen, die nicht vom Menschen angetastet werden, um geschützt brüten zu können. Seine Nahrung besteht in erster Linie aus Insekten, kleinen Spinnen und Würmern, die es mit seinem Schnabel wie mit einer Pinzette auch aus kleinsten Zwischenräumen picken kann. Die findet es vor allem in Totholz und Laub – sofern beides liegen gelassen wird. Da die Futtervielfalt entscheidend von der Struktur des Waldbodens abhängig ist, ist das Rotkelchen eine der Arten, an der man das Waldsterben ablesen kann: Geht es den Rotkehlchen schlecht, geht es wahrscheinlich auch dem Wald schlecht.
Auch Früchte und weiche Samen sowie Beeren frisst das Rotkehlchen, wenn es sie findet. Die finden sich ebenso in erster Linie in wilden Landschaften oder nicht allzu aufgeräumten Kulturlandschaften wie Parks und Gärten. Oder eben an Futterstellen, die von Menschen aufgestellt werden. Da das Futterangebot im Winter deutlich abnimmt, freut sich das Rotkehlchen genauso wie Amsel, Meise und Zaunkönig über einen leicht zu beschaffenden Snack am Futterhaus.
Dein Augenblick mit dem Rotkehlchen
Und genau dort, am Futterhaus, kannst Du in diesem Winter Deinen Naturmoment mit dem Rotkehlchen erleben. Oder auch so in Deinem Garten. Die „Stunde der Wintervögel“ Anfang Januar bietet Dir dazu eine gute, praktische Gelegenheit – mit der Du sogar noch der Forschung zum Naturschutz helfen kannst.
Die „Stunde der Wintervögel“ ist eine Aktion des NABU (Naturschutzbund Deutschland) und findet einmal im Jahr statt. Bei dieser deutschlandweiten Zählung werden Bürgerinnen und Bürger dazu aufgerufen, sich eine Stunde Zeit zu nehmen und alle Vögel zu zählen, die sie an einem stationären Ort sehen können. Eine Futterstelle in Deinem Garten oder auf dem Balkon wäre also der perfekte Ort dafür. Zwischen dem 10. und 12. Januar soll gezählt werden. An einem dieser Tage kannst Du Dir also eine Stunde aussuchen, um die Vögel in Deiner Umgebung zu beobachten.
Wer sich fürs neue Jahr vorgenommen hat, mehr für den Naturschutz zu tun, kann den guten Vorsatz gleich in die Tat umsetzen und mitmachen. Die mit der Aktion gewonnenen Daten über die heimische Vogelwelt helfen uns dabei, die Situation von Vögeln in Städten und Dörfern besser einzuschätzen.
Leif Miller, NABU-Bundesgeschäftsführer
Mehr Informationen zur Aktion, weitere Vogelinfos und Zählhilfen findest Du auf der Internetseite des NABU: Alles zur „Stunde der Wintervögel“
Und wenn Du bei der Zählung ein Rotkehlchen entdeckst: Beobachte es doch einmal ganz genau. Was fällt Dir auf? Wie verhält es sich gegenüber anderen Vögeln? Welche Körner stibitzt es in erster Linie aus Deinem Futterhaus? Wie fliegt es den Platz an, oder davon weg? Kannst Du seinen Ruf hören?
Kommentiere gerne meinen Beitrag auf Instagram und berichte mir von Deinem Naturmoment mit dem Rotkehlchen!
Dieser Beitrag wurde erstmals am 22. Dezember 2023 veröffentlicht und für die Neuveröffentlichung im am 23. Dezember 2024 aktualisiert.